It‘s about Leadership

Podcast „It’s about Leadership“ - Folge 13

16. Juni 2020

Mit wem sprechen wir in dieser Folge?

Michael Stock.

 

Aus welchem Bereich kommt unser:e Gesprächspartner:in?

Heute kommt ein neues Puzzleteil zu dem Gesamtpuzzle, was Leadership ist und wo es überall stattfindet, hinzu. Wir werfen einen Blick auf die öffentliche Verwaltung. Um das ein wenig auszuleuchten, sprechen wir mit Michael Stock. Michael ist Bürgermeister der Stadt Wegberg. Zu der Rolle eines/r Bürgermeister:in gehört u.a., die Verwaltung zu leiten und zu führen. Zu dieser Verwaltung gehören 250 Mitarbeitende oder – wie Michael sagt – es ist ein bisschen vergleichbar mit einem mittelständischen Unternehmen. Das ist allerdings nur eine der vielen Rollen bzw. Säulen, für die Michael verantwortlich ist. Was genau dahinter steckt wird, wird er uns erzählen.

 

Außerdem sprechen wir darüber, was es heißt, in einer eher stabilen, planbaren Rolle, wie der des/r Bürgermeister:in, plötzlich in eine Phase der kompletten Unplanbarkeit zu geraten. Denn Wegberg liegt im Kreis Heinsberg, und der Kreis Heinsberg war einer der ersten Hotspots, als es um den Ausbruch von Corona in Deutschland ging. Dies hatte einen gigantischen Einfluss auf die gesamte Arbeit im öffentlichen Dienst in diesem Kreis. Dazu und welche Erkenntnisse darin stecken, erfahren wir in diesem Gespräch.

 

Herzlich willkommen im Podcast, Michael. Ich freue mich sehr, dass du heute da bist. Dann starte ich direkt mit der Frage, wer du eigentlich bist.

Zunächst einmal danke für die Einladung. Wer bin ich eigentlich? Ja, ich bin Michael Stock, und ich bin Bürgermeister der Stadt Wegberg, einer mittelgroßen Stadt mit rund 30.000 Einwohner:innen in der Nähe von Mönchengladbach. Das Amt übe ich seit 2014 aus, also so ziemlich genau seit sechs Jahren. Ich habe eine Verwaltung mit rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich darum kümmern, dass es den Menschen hier in Wegberg gut geht.

 

Wegberg ist eine Stadt in Nordrhein-Westfalen mit knapp 30.000 Einwohner:innen, die direkt an der niederländischen Grenze liegt. Wegberg liegt im Kreis Heinsberg, was in unserem Gespräch auch gleich noch eine Rolle spielen wird, da der Kreis Heinsberg ungewollt durch einen der ersten Corona-Hotspots in NRW berühmt geworden ist. Michael Stock ist dort als Bürgermeister der SPD seit 2014 im Amt.

 

Wir sprechen miteinander Ende Mai, in einem, so würde ich mal sagen, ganz normalen Corona-Alltag. Wo kommst du denn gerade her?

Ich komme gerade, ehrlich gesagt, von der Toilette.

Beide lachen.

Und den Vormittag habe ich bis hierher in meinem Büro verbracht, E-Mails geschrieben, Post gemacht usw. Also ich bin heute im normalen Arbeitsalltag voll drin. Ich gucke hier gerade aus dem Fenster und sehe zwei Mitarbeiter unseres Bauhofs, wie sie mit ihrer Maske ausgestattet, ihre Arbeit machen. Wie du gerade sagtest: im normalen Corona-Zeitalter sieht das heutzutage so aus.

 

Ich glaube, auf den normalen Corona-Alltag bei dir und in deiner Verwaltung kommen wir sicher im Laufe des Gesprächs noch einmal zurück. Das ist bestimmt sehr speziell, vermute ich.

Wir haben mit dir zum ersten Mal einen Politiker im Podcast und damit auch eine andere Perspektive auf Führung und Leadership. Ich vermute, dass viele Zuhörer:innen gar keine klare Vorstellung davon haben, was ein Bürgermeister den ganzen Tag so macht. Kannst du uns beschreiben, wie deine Rolle aussieht? Wo übernimmst du Führungsverantwortung und für was?

Das ist eine ganz spannende Frage. Jeder Mensch, den man draußen auf der Straße anspricht und fragt, was eigentlich ein:e Bürgermeister:in macht, wird etwas anderes dazu sagen können. Ich antworte dazu eigentlich immer folgendes: Das Amt des/r Bürgermeister:in hat drei große Säulen, auf denen ich mich bewegen muss. Auf der einen Seite ist es natürlich das Leben des/r Politiker:in, des Menschen, der dafür verantwortlich ist, dass der Stadtrat funktioniert und dass der Stadtrat darauf vorbereitet wird, wichtige Entscheidungen für die Stadt zu treffen. Das heißt, politische Absprachen zu treffen, politisch zu agieren, Mehrheiten hinter sich zu versammeln. Das ist die eine Säule.

 

«Die dritte Säule ist die, die eigentlich immer so ein bisschen im Verborgenen bleibt. Das ist die des/r Verwaltungschef:in.»

 

Dann gibt es natürlich auch die/den Bürgermeister:in, die/der Stadtfeste, Spielplätze und Kindergärten eröffnet, also die Stadt repräsentiert und für die Bürgerinnen und Bürger auf der Straße ansprechbar ist. Das sind die beiden Funktionen neben der des/r Politiker:in im Ratssaal, die die meiste Außenwirkung haben, und die an sich und für sich alleine genommen jeweils schon eine Tätigkeitsstelle ausfüllen würden. Die dritte Säule ist die, die eigentlich immer so ein bisschen im Verborgenen bleibt. Das ist die des/r Verwaltungschef:in. Ich habe ja gerade gesagt, dass wir 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die auf 10 Fachbereiche und insgesamt drei Dezernate verteilt sind, und diese Menschen brauchen ja auch eine Führung, in dem, was sie beruflich machen. Diese Arbeit ist immer die, die ein bisschen hinten anfällt, weil sie nicht so viel Außenwirkung hat. Aber auch ein:e Geschäftsführer:in einer GmbH mit 250 Mitarbeitenden hat über den Tag schon genug zu tun.

 

Ohne, dass sie/er Spielplätze eröffnet und Schulhofeinweihungen oder ähnliches feiert.

Genau so. Das sind die drei Säulen, in denen ich mich eigentlich bewege und die diesen Job so unfassbar interessant machen. Es kann gut sein, dass ich von einem Meeting hier mit der Personalabteilung zu einer Spielplatzeröffnung losflitze, zurückkomme, ein Gespräch mit dem Personalrat habe und abends in der Ratssitzung über den Haushalt in Höhe von 60 Millionen Euro entscheide. Das sind, ich will nicht sagen „normale Tage“, aber doch häufig meine Tagesabläufe.

 

Das reicht dann von Führung aufgrund deiner disziplinarischen Rolle in der Verwaltung bis hin zu Leadership im Sinne von konstruktiver Einflussnahme, damit Entscheidungen getroffen werden können. Da ist die ganze Bandbreite drin.

Ja, genau.

 

Du bist seit 2014 Bürgermeister. Was hat dich selbst am meisten überrascht, als du in die Rolle „hineingerutscht“ bist? Du warst ja mit Sicherheit nicht unvorbereitet, aber was hat dich dann tatsächlich am meisten überrascht?

Bürgermeister:in zu sein, ist kein Ausbildungsberuf. Das ist ein bisschen schade. Hätte ich gerne von Anfang an gelernt, aber es gibt ja auch keine Garantie, dass man das einfach so wird. Man muss ja gewählt werden, und das ist in unserer Demokratie auch richtig und gut so. Aber man kann sich in der Tat schlecht darauf vorbereiten, insbesondere dann, wenn man wie ich, eben nicht aus der Verwaltung kommt. Ich bin Jurist und habe eine Zeitlang als Rechtsanwalt gearbeitet. Danach habe ich in einem Verband gearbeitet und hatte sicherlich einen guten Einblick in das politische Geschehen. Mit dem Repräsentieren ist es auch okay, aber was in der Tat anfangs für mich eine Herausforderung war, war das Thema, auf einmal Chef von 250 Menschen zu sein. Direkt innerhalb der ersten Tage musste ich hier wichtige Personalentscheidungen treffen. Das war wirklich eine Herausforderung, der ich mich da stellen musste.

 

Du hast gerade erwähnt, dass dieser Teil in der Außenwirkung der ist, der am meisten im Hintergrund bleibt. Diese klassische Führung einer Verwaltung. Und gleichzeitig braucht dieser Teil ganz viel Aufmerksamkeit. Das geht ja nicht „mal eben so“ nebenher und trifft einen dann vielleicht ein bisschen unvorbereitet, ne? Wie bist du damit umgegangen, dass du direkt Entscheidungen treffen und ins kalte Wasser musstest?

Wie bin ich damit umgegangen? Das ist eine gute Frage. Ich mein, das ist sechs Jahre her, und es passiert so unfassbar viel in dieser Zeit, dass ich mich schon fast an die letzten sechs Tage nicht mehr erinnern kann.

 

«Ich höre mir zunächst alle Seiten an und versuche, mir ein komplettes Bild der Lage zu verschaffen.»

 

Ich bin damit so umgegangen, wie ich in der Regel immer damit umgehe. Ich höre mir zunächst alle Seiten an und versuche, mir ein komplettes Bild der Lage zu verschaffen. Ich habe damals im Studium oder im Referendariat einen Ausbilder gehabt, der mir sagte, dass Sachverhaltsarbeit das Wichtigste ist und die Entscheidung dann ganz von alleine kommt. Das stimmt bei Führung auch nicht immer, aber in der Juristerei hilft es ganz, ganz erheblich, wenn man den Sachverhalt ordentlich ermittelt hat. Das ist die Leitlinie, die ich habe. Dass ich versuche, mir ein komplettes Bild der Lage zu verschaffen. Sicher ist es am Anfang schwierig, das komplette Bild auch zu erhalten, aber dann muss man dranbleiben und auch noch mal energisch nachfragen. Das war für mich das Wichtigste, dass ich versucht habe, so viel wie möglich mit den Leuten zu sprechen und zu erfahren, was denn eigentlich der Beweggrund hinter der einen oder anderen Sache ist.

 

Wie würdest du allgemein dein Verständnis von Führung in deiner jetzigen Rolle beschreiben?

 

«Mein Verständnis von Führung ist, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Rahmen zu geben, in dem sie sich sicher bewegen können und dann auch selbstbewusst Entscheidungen treffen.»

 

Also mein Verständnis von Führung ist das, dass ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr viel zutraue, was ihre Fachkompetenz angeht und ich der Meinung bin, dass ich das für die Entscheidungen, die letztendlich ich treffen muss, zusammenführen muss. Ich möchte, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb der Leitlinien, die wir als Führungskräfte vorgeben, autark sehr viel entscheiden. Mein Verständnis von Führung ist, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Rahmen zu geben, in dem sie sich sicher bewegen können und dann auch selbstbewusst Entscheidungen treffen.

 

Wenn du den Führungsaspekt nach außen noch mit reinnimmst, wie deckt sich das mit der Einflussnahme im Bezug auf das Treffen von Entscheidungen, wo es jetzt nicht unbedingt nur um die Mitarbeitenden in der Verwaltung geht, sondern um das gesamte Funktionieren der Stadt? Wie gehst du da vor, was ist deine Grundüberzeugung?

Das müssten wir vielleicht ein bisschen mehr konkretisieren. Wenn es um die Entscheidungen geht, die nach außen treten, die für die Menschen sichtbar werden, werden diese hier im Rathaus, in der Regel, vorbereitet. Da gibt es einmal die politischen Entscheidungen, die der Rat trifft, wobei auch da die Verwaltung benötigt wird, um zuzuarbeiten. Aber es gibt auch ganz, ganz viele andere Entscheidungen, die der Rat nicht trifft, sondern die wir hier, aufgrund unserer Aufgabe treffen. Angefangen vom Knöllchenschreiben bis hin zu Baugenehmigungen. Dahinter stecken Prozesse, die wir hier im Haus organisieren. Es kommt natürlich immer wieder vor, dass gedacht wird: in der Außenwirkung steht der Bürgermeister da, und er ist verantwortlich dafür, dass ich ein Knöllchen bekommen habe. Denn alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschreiben ja in meinem Auftrag. Da steht schließlich überall „im Auftrag“ und obendrüber „Der Bürgermeister“. Wenn sich also jemand über ein Knöllchen ärgert, bin ich der erste Ansprechpartner, und viele Menschen denken auch, dass ich dann derjenige bin, der den Einspruch zum Knöllchen bearbeitet. Weiter geht es mit Baugenehmigungen. Wenn jemand eine Baugenehmigung nicht so ohne weiteres bekommt, wenden sie sich an mich und sagen: „Herr Stock, können Sie mir nicht die Baugenehmigung geben?“, wobei ich von Baurecht nicht so viel Ahnung habe wie meine Fachleute. Das zu koordinieren, ist eine schwierige Aufgabe. Nach außen zu vermitteln, dass ich nicht für die Knöllchen oder die Baugenehmigung zuständig bin.

 

Was gelingt dir dabei gut? Und was gelingt dir gerade deshalb gut, weil du Michael Stock bist?

 

«Anfangs gelang es mir vielleicht nicht so gut, weil man anfangs denkt, dass man wirklich alles selbst machen muss

 

Mir gelingt es gut, den Menschen zu erklären, wie ich das gerade gemacht habe, dass ich eben nicht derjenige bin, der die Baugenehmigung unterschreibt. Man kann den Menschen auch erklären, warum ich das nicht bin. Das sorgt dann doch auch für Verständnis. Und auch für Verständnis, dass es dann eben mal nicht mit einem Telefonanruf bei mir erledigt ist, sondern dass ich mich natürlich bei mir hier im Haus rückversichere und verschiedene Arbeitsaufträge verteile. Ich würde sagen, dass mir das gut gelingt.

Anfangs gelang es mir vielleicht nicht so gut, weil man anfangs denkt, dass man wirklich alles selbst machen muss.

 

Der erste Anspruch: dass man alles erfüllen möchte, was an einen herangetragen wird.

Das ist das Politiker:innendenken. Völlig klar. Als Politiker:in ist man dafür verantwortlich, da muss man das auch regeln, und dafür setzt man sich auch persönlich ein. Nur geht das in Verwaltungsangelegenheiten nicht immer.

 

Es ist ja auch gut so, dass die Expertise der Verwaltung da noch mit drinsteckt.

Was gelingt dir denn vielleicht nicht so gut? Was ist für dich persönlich manchmal noch eine Herausforderung?

Im Hinblick auf Führung oder insgesamt?

 

Im Hinblick auf Führung.

Ein Beispiel. Wir haben hier im Rathaus eine Zeiterfassung, sodass sich die Menschen mit ihrem Chip hier einwählen und ausstempeln. Für dieses Instrument der Arbeitszeiterfassung habe ich einfach wenig Gespür, weil ich das mein ganzes Berufsleben lang nicht erlebt habe. Anfangs habe ich das Thema, wie viele andere Themen in diesem Bereich, unterschätzt, weil mir nicht so bewusst war, wie empfindsam meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei diesem oder bei anderen Themen sein können. Ich habe richtig lernen müssen und lerne immer noch, ständig meine Antennen neu auszurichten und mich darauf einzustellen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihrer Empfindung abzuholen. Mir macht Arbeitszeit nichts aus, ich kenne das nicht. Ich weiß nicht, dass ich mich einstempeln und dann ausstempeln muss, denn ich arbeite im Grunde genommen 24 Stunden am Tag. Deswegen habe ich am Anfang kein Gespür dafür gehabt, wenn jemand mit der Zeiterfassung ein Problem hatte. Das sind so Themen, bei denen ich ständig dazulerne.

 

Also sich aus dem eigenen, völlig selbstverständlichen Blick auf die Welt heraus bewusst zu machen, dass dies nicht der einzige Blick auf die Welt ist?

Ja. Letztendlich geht es da ja auch viel um Empathie. Sich in die Lage der Menschen hineinzuversetzen können, deren Perspektive einzunehmen und zu wissen, dass es Menschen gibt, für die dies ein ganz wichtiges Thema ist. Und dann muss man sich darauf einstellen können.

 

Was vermutest du, wie deine Mitarbeiter:innen in der Verwaltung dich beschreiben würden, wenn man sie fragen würde, was Michael Stock für ein Chef, für ein Bürgermeister, ein Vorgesetzter ist?

Ich hoffe, dass die Menschen sagen würden, dass ich ein umgänglicher Mensch bin, mit dem man über die Themen reden kann, die einen beschäftigen. Also die dienstlichen und die privaten ab und an vielleicht auch. Es ist mir ein Anliegen, dass ich so wirke. Ich glaube, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier im Haus … puh, das ist eine schwierige Frage …

 

Wenn sie einfach wäre, müsste ich sie dir ja nicht stellen.

Beide lachen.

 

«Ich habe von Anfang an gesagt, dass jede:r Mitarbeiter:in zu mir kommen kann, wenn es ein Problem gibt

 

„Am besten gut“, aber natürlich gibt es auch Konflikte, ist ja völlig klar. Und es gibt auch Auseinandersetzungen mit dem Personalrat, mit der Gleichstellungsbeauftragten. Gott sei dank nicht viele, aber diese muss man ja auch führen. Das finde ich auch ganz wichtig. Ich glaube schon, dass sie mich als konfliktfähigen Vorgesetzten wahrnehmen, der fair ist, der sich Sachen anhört und der immer Zeit hat für die Angelegenheiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich habe von Anfang an gesagt, dass jede:r Mitarbeiter:in zu mir kommen kann, wenn es ein Problem gibt, und davon machen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch Gebrauch. Ich glaube schon, dass es insoweit ein kollegiales Miteinander gibt.

 

Ich hatte zugegebenermaßen, bis wir miteinander sprachen, auch eine wahrscheinlich relativ naive Vorstellung von der Rolle einer Bürgermeisterin/eines Bürgermeisters. Welche sind aus deiner Perspektive, bezogen auf Führung, ganz klare Unterschiede zu einer verantwortlichen Rolle innerhalb eines „klassischen“ Wirtschaftsunternehmens oder umgekehrt, was sind keine Unterschiede?

 

«Es ist ein unterschiedlicher Anspruch, weshalb ich in der freien Wirtschaft arbeite oder in der Verwaltung, aber grundsätzlich sind wir alle erst einmal Menschen

 

Definitiv kein Unterschied ist, dass wir alle mit Menschen zu tun haben. Ich glaube, die Menschen, die hier in der Verwaltung arbeiten, sind die gleichen Menschen, die auch in der freien Wirtschaft arbeiten könnten. Es ist halt ein unterschiedlicher Anspruch, weshalb ich in der freien Wirtschaft arbeite oder in der Verwaltung, aber grundsätzlich sind wir alle erst einmal Menschen.

Der Unterschied zeigt sich vielleicht gerade im Moment wieder deutlich. Wir sind in unserer kommunalen Verwaltung und in allen Verwaltungen unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen. Das heißt, wenn es der Wirtschaft schlecht geht, ist es nicht zwangsläufig so, dass es der Verwaltung, zumindest nicht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, schlecht geht. Denn die müssen sich keine Sorgen um ihren Job machen. Aber genauso geht das auch auf der anderen Seite. Wenn es der Wirtschaft sehr, sehr gut geht und die Honorare und Löhne unfassbar steigen, dann ist der Job in der Verwaltung immer noch ein sicherer Job, der aber auch nicht unbedingt viel besser bezahlt wird, außer der normalen tariflichen Erhöhung, die es so gibt. Ich sage immer, dass der Rock im öffentlichen Dienst zwar kurz, aber warm ist. Die Menschen, die hier arbeiten, machen sich keine Sorgen um ihre Jobs, und das ist der große Unterschied.

Das hat dann natürlich auch etwas mit Motivation zu tun. In alle Richtungen.

 

Wenn du sagst, dass es mit Motivation in alle Richtungen zu tun hat, wie wirkt sich das aus?

 

«Hier in der öffentlichen Verwaltung sind wir den Menschen um uns herum verpflichtet

 

Oftmals wird dem öffentlichen Dienst vorgeworfen, dass die Menschen in der Verwaltung nicht so motiviert arbeiten würden, weil ihr Job sicher ist oder weil der wirtschaftliche Druck, den wir als Arbeitgeber:in ausüben könnten, nicht so hoch ist wie in der Wirtschaft. Das kann ich aber nicht bestätigen, weil die Menschen, die hier arbeiten, alle ein anderes Ziel vor Augen haben. Die wollen daran mitarbeiten, dass es hier in der Stadt vorangeht und die Menschen in dieser Stadt ein besseres oder ein gutes Leben haben. Das ist halt ein Unterschied. Ansonsten ist man ja in der Wirtschaft mehr dem Unternehmen verpflichtet, und hier in der öffentlichen Verwaltung sind wir den Menschen um uns herum verpflichtet. Und wenn sie ihren Job nicht gut machen würden und in der Mittagspause rausgehen, würden sie direktes Feedback der Leute auf der Straße bekommen.

 

Ungefiltert.

Ungefiltert, ja, klar. Ich kriege das ja auch.

 

Das ist ein Thema, das mich selbst sehr interessiert und mich auch umtreibt, dieses Lesen und Wahrnehmen, dass gerade in Umfeldern wie dem deinen das Thema Anfeindung und auch offene Anfeindung eine Rolle spielt. Ist das etwas, das du und ihr in eurer Verwaltung auch erlebt?

Ja, das erleben wir. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit … ich muss echt sagen, dass diese Corona-Krise viele Sachen in der Erinnerung auslöscht, weil man den ganzen Tag nichts anderes macht … Ich kann nicht sagen, ob es drei oder vier Monate her ist, aber da haben wir tatsächlich auch endlich mal einen Prozess gewonnen, in dem es darum ging, dass eine Mitarbeiterin von uns übelst beschimpft wurde. Wir haben den Menschen dann angezeigt, und er ist auch tatsächlich verurteilt worden. Sogar zu einer empfindlichen Geldstrafe. Das kommt vor. Und das kommt natürlich bei den Leuten in der Hierarchie nach oben, die Außenwirkung haben, auch weiter vor.

 

Das Thema Gewalt und Bedrohung im öffentlichen Dienst ist in den letzten Jahren immer gravierender geworden. Die Zahlen zeigen deutlich, dass es einen Anstieg in der Richtung gibt. Anfang des Jahres (2020) gab es eine Studie des DGB, aus der sich herauslesen lässt, dass mehr als zwei Drittel der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in der Ausübung ihres Jobs schon einmal verbal angegangen wurden. Die Bandbreite reicht natürlich noch viel weiter. Von verbalem Beschimpfen über Beleidigungen und Androhung von Gewalt bis hin zum schlimmsten Fall, der Ausübung von Gewalt. All das findet statt und ist somit auch ein relevantes Thema für alle Menschen, die im Bereich öffentliche Verwaltung arbeiten und mit dem sie sich tagtäglich immer wieder auseinandersetzen müssen.

 

Was macht das mit euch? Mit dir und den Menschen in der Verwaltung, wenn solche Anfeindungen passieren?

 

«Mich persönlich betrifft das sehr, wenn ich angegriffen oder angefeindet werde

 

Das kommt natürlich ganz auf den Menschen an. Mich persönlich betrifft das sehr, wenn ich angegriffen oder angefeindet werde. Ich gehe mit aller Härte dagegen vor. Das mache ich gnadenlos, und genau das habe ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch gesagt. Jede Beschimpfung, jede Beleidigung, jede Bedrohung, die wir hier erleben, wobei das bei uns noch wirklich im Rahmen ist und nicht so oft vorkommt, aber wenn es vorkommt, wird es sofort zur Anzeige gebracht. Mittlerweile sind Gott sei dank auch die Staatsanwaltschaften und Gerichte da wesentlich sensibler geworden. Also wir bringen jede Bedrohung zur Anzeige.

 

Das ist sicherlich auch nach innen ein wichtiges Signal, dass es eine ganz klare Grenze gibt, und wenn die überschritten wird, handelt ihr entsprechend und jede:r aus der Verwaltung hat das Recht, das zu tun. Ich kann mir vorstellen, dass es für den eigenen Umgang damit hilft, wenn ich als Mitarbeiter:in in der Verwaltung weiß, dass ich dagegen vorgehen kann und das auch darf.

Und die Rückendeckung habe, ja.

 

Du hattest vorhin gesagt, dass die Zeit durch die ganze Coronageschichte gerade so verschwommen ist. Wir haben jetzt Ende Mai, es ist schon echt viel passiert, und Wegberg liegt im Kreis Heinsberg. Ihr wart wahrscheinlich schon viel, viel früher als viele andere Kommunen und Bereiche in dem ganzen Thema tief mit drin. Wie hat sich deine Rolle, dein Alltag in den letzten 12 Wochen verändert?

12 Wochen ist gut. Ich habe gerade mal auf den Kalender geschaut. Bei uns fing die Coronazeit am 25. Februar an. Daran kann ich mich noch ziemlich genau erinnern.

 

«War ziemlich skurril die ganze Nummer

 

In der Regel lege ich mein Telefon abends schon mal ein bisschen weiter weg, und dann klingelt um Viertel vor 10 abends das Telefon, ich guckte drauf und sah eine Nummer von der Kreisverwaltung. Naja, wenn die um Viertel vor 10 anrufen, ist es in der Regel schon so, dass ich da rangehe. Tja, und dann hatte ich einen Mitarbeiter des Krisenstabes dran, der mir berichtete, dass sie einen Ausbruch von Corona in der Gemeinde Gangelt haben und dass wir bitte dafür sorgen müssten, dass wir morgen alle Schulen schließen. War ziemlich skurril die ganze Nummer. So fing das alles bei uns an. Nichtsahnend, was da noch kommt.

Seitdem überlagert dieses Thema alles, was wir so in unseren Verwaltungen machen. Wir haben das natürlich sofort umgesetzt, haben sofort unseren eigenen Krisenstab einberufen und sind dann losgeschwommen.

 

Ohne genau zu wissen, wo es hingeht.

Ja, genau. Selbstverständlich. Es gab keine Blaupause, wie man damit umgeht; hier in Deutschland jedenfalls nicht. Der Kreis Heinsberg hat auch mit dem Landrat sehr schnell die Brisanz der Lage erkannt und sehr umfangreich reagiert. Ich glaube, das war die richtige Reaktion. Zu dem Zeitpunkt war weder in Nordrhein-Westfalen, noch sonst irgendwo in Deutschland dieses Thema irgendwie auf dem Schirm. Wegberg ist auch noch die nördlichste Kommune, wir sind ganz, ganz weit weg von der Gemeinde Gangelt, über 30 Kilometer. Bei uns im Kreis ist das schon ein bisschen Entfernung, aber wir hatten den Eindruck, dass wir das jetzt hier alle so machen, gerade eine Blaupause entwickeln und wussten, dass das nicht das Ende ist. Wir hatten sehr schnell erkannt, dass das weitere Kreise ziehen wird, aber man hatte den Eindruck, dass alle um uns herum uns nur zugucken und gar nicht merken, dass sich das Thema auch noch weiten würde. Dabei war das völlig klar, das war mathematisch zu berechnen. Und irgendwann ging es dann ja weiter. Ich glaube, Mitte März war es, als sich die Bundeskanzlerin zum ersten Mal geäußert hat und wo es dann Schlag auf Schlag mit Kontaktbeschränkungen, Lockdown usw. ging. Da ging der Fokus dann auch von uns weg auf die gesamte Bundesrepublik.

Das Thema bestimmt nach wie vor alles hier im Rathaus. Wir sind im Moment sehr damit beschäftigt, die Bestrebungen der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die weiteren Erleichterungen, umzusetzen. Wir haben die Menschen seit Wochen darauf getrimmt und gedrillt, Abstand zu halten, ihnen erklärt, dass viele leider immer noch nicht öffnen können, dass die Schulen immer noch zu sind und die Kitas auch nur im Notbetrieb geöffnet sind, und nun drehen wir die ganzen Maßnahmen zurück, was sehr viele Fragen bei den betroffenen Menschen auslöst. Diese Fragen klären wir zurzeit fast täglich. Ich führe Gespräche mit Gewerbetreibenden oder mit Eltern, die einfach Informationen brauchen.

 

Was waren deine ersten Gedanken, als dieser Anruf von der Kreisverwaltung kam? Ich nehme an, dass deine Nacht sehr kurz war. Wie ging es dir in diesem Moment?

Ich habe irgendwie das Gen, dass ich in diesem Moment sofort in einen Krisenmodus umschalten kann, mich erst einmal um die Sache kümmere und gucke, dass alles läuft. Ich bin dann in der Regel nicht aufgeregt und denke: Oh Gott, oh Gott, oh Gott, alles schlimm, schlimm, schlimm. Stattdessen habe ich klar die Aufgabe, die Schulen zu schließen, und dann gucken wir, wie wir das regeln können. An dem Abend habe ich auch direkt mit meiner allgemeinen Vertreterin, 1. Beigeordneten, lange telefoniert und die ersten Schritte abgestimmt, wie wir das am nächsten Morgen machen werden. So bin ich dann einfach losgeschwommen und habe versucht, die Lage objektiv in den Griff zu bekommen und mich in der Lage zu bewegen.

 

Stand jetzt: was sind für dich in deiner Rolle die Kernerkenntnisse, aus der Führungsperspektive betrachtet, die du aus dieser Phase herausziehst?

 

«Es war wirklich toll mitzuerleben, dass da alle an einem Strang gezogen haben

 

Diese Krise ist in dem Ausmaß ja weder vorhergesagt worden, noch irgendwie für uns greifbar gewesen. Ich fand die Reaktion hier im Haus bei uns war wirklich, auch für mich selbst, sehr motivierend, denn ich habe gemerkt, dass die Menschen alle mitziehen. Die haben alle Sorgen, sie machen sich ja auch Sorgen um ihre Gesundheit, die haben Sorge, weil ihre Kinder gerade nicht betreut werden können. Die Möglichkeit zu haben, auf diese Lage dynamisch zu reagieren, selbst hier in der öffentlichen Verwaltung, sodass wir innerhalb kürzester Zeit der Hälfte der Beschäftigten Home-Arbeitsplätze anbieten konnten, dass wir Lösungen gefunden haben, wie wir unsere Arbeitszeit entzerren, wie sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Zweierbüro aufhalten, dass also nicht zu viele Menschen in einem Raum sind, dass wir die Terminverwaltung relativ zügig auf die Beine gestellt haben, das war eine tolle Erfahrung für mich. Es war wirklich toll mitzuerleben, dass da alle an einem Strang gezogen haben. Das ist für mich die große Erkenntnis. Und jetzt sind wir dabei, aus diesen Erkenntnissen natürlich Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Ich bin froh, dass wir vor einem oder anderthalb Jahren mit dem Personalrat schon eine Dienstvereinbarung über die Telearbeit auf die Beine gestellt hatten. Das gab es davor nicht. Darauf konnten wir dann gut zurückgreifen und die Organisation entsprechend vorhalten. Jetzt gucken wir, welche Schlüsse wir daraus ziehen müssen, und ich muss zugestehen, dass wir jetzt in der Phase sind, in der wir dafür auch endlich mal Zeit haben. Das ging vorher nicht. Aber mittlerweile ist es so organisiert, dass wir glauben, den Betrieb einfach so aufrechtzuerhalten. Und auch da ist ja der Unterschied zur Wirtschaft ganz klar. In der Krise ist die Verwaltung massiv eingebunden, denn wir sind dafür verantwortlich, dass die ganzen Ver- und Gebote durchgesetzt und kontrolliert werden. Das heißt, dass das Ordnungsamt zurzeit unfassbar viele Stunden vor sich herschiebt, weil die mit ihrem Ordnungsdienst vor Wochen noch Spielplätze und Sperrungen kontrolliert haben, Gastronomie kontrollieren und beraten mussten, und das jetzt gerade ist ein Unterschied.

 

Stimmt, das ist so ein bisschen zeitversetzt. Euer großer Einsatz ist am Anfang der Krise, und jetzt könnt ihr vielleicht die wieder vorhandene Zeit nutzen, während für viele Unternehmen die Zeit anbricht, in der sie sich sortieren müssen. Zumal für viele Unternehmen ein normales Arbeiten in der letzten Zeit gar nicht möglich war.

Wo holst du dir denn Inspiration für deine Führungsrolle?

Auf der einen Seite rede ich sehr, sehr gerne mit meiner Frau über diese Themen. Das ist inspirierend.

 

Es kommt für mich nicht ganz überraschend, dass Michael seine Ehefrau als eine Inspirationsquelle nennt, denn Susanne Stock ist - wie ich - Beraterin und Trainerin rund um das Thema Leadership und wie ich finde, eine ganz hervorragende und exzellente Trainerin. Sie ist quasi auch der Verbindungspunkt, der zu diesem Gespräch führte und die mich auf den Gedanken brachte, dass es doch sicherlich sehr spannend ist, mit einem aktiven Bürgermeister über das Thema Leadership zu sprechen.

 

Und ich bin, glaube ich, ganz gut vernetzt, was auch die Möglichkeiten des Austauschs mit Kolleginnen und Kollegen angeht. Ich mache viel Netzwerkarbeit in Verbänden und habe natürlich da die Gelegenheit, mich mit anderen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern auszutauschen, die einfach den gleichen Job wie ich haben. Wie gesagt, das ist ja kein Ausbildungsberuf, da gibt es wenig YouTube-Videos zu, und die Inspiration kommt durch den Austausch und dass man miteinander diskutiert, wie der richtige Umgang mit bestimmten Situationen ist.

 

Vielleicht ist auch das eine naive Vorstellung von außen, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass nicht alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ihre Rolle so mit Führung auffüllen wie du das tust. Sich also ganz bewusst als Führungskraft zu verstehen. Wie nimmst du das wahr?

Ich bleibe da wieder einmal bei meinem Drei-Säulen Modell. Jede:r Bürgermeister:in ist da anders. Es gibt klassischerweise auch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die ganz klar sagen, dass sie nur repräsentieren können und auch das nur machen. Die Aufgabe als Verwaltungschef.in mit einer großen Verwaltung hinter sich überlassen sie den Leuten, die das gelernt haben. Das gibt es, und das ist auch ein Modell, das man so akzeptieren muss, denke ich. Dann ist das vielleicht auch die richtige Aufgabe.

Es gibt Menschen, die sagen, dass sie eher die/der Politiker:in sind und versuchen, politisch die Fäden zu ziehen. Auch das ist klar.

 

«Ich glaube, die Kunst einer/s wirklich guten Bürgermeister:in ist es, die drei Säulen auszupendeln

 

Und dann gibt es aber auch wirklich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die klar sagen, dass sie Verwaltungschef:in sind und denen alles andere egal ist. Die gehen nicht auf Schützenfeste oder auf irgendwelche Eröffnungen, das können alles die Fachleute, die ehrenamtlichen Bürgermeister:innen zum Repräsentieren machen. Die sind Verwaltungschef:innen.

Ich glaube, die Kunst einer/s wirklich guten Bürgermeister:in ist es, die drei Säulen auszupendeln. Das ist aber schwierig.

 

Also in allem sichtbar zu sein. Das ist sicherlich schwierig, weil euer Tag ja auch nur 24 Stunden hat.

Wahrscheinlich gehört auch dazu, nach innen zu wirken, damit die gesamte Verwaltung nach außen wirken kann. Das ist auch ein Aspekt, der passiert, oder?

Genauso ist es.

 

Wenn du es dir aussuchen könntest, totales Wunschkonzert, mit wem würdest du dich total gerne einmal zu einem Abendessen zum Thema Leadership und Führung treffen?

Wenn es darum geht, glaube ich, dass ich mich in der jetzigen Zeit unfassbar gerne einmal mit Helmut Schmidt zu seinen jungen Zeiten, meinetwegen sogar als Innensenator von Hamburg, zusammengesetzt hätte. Das hätte ich gerne mal gemacht.

 

Was hättest du ihn gefragt?

Alles das, was ich von Helmut Schmidt so erlebt habe, ist, dass man ihn eigentlich nie etwas fragen musste, er hat einfach erzählt.

Beide lachen.

Ich habe ihn mal auf einem Parteitag erlebt. Das war, meine ich, eine seiner letzten großen Reden dort, und es war einfach grandios, ihm zuzuhören. Ich glaube, ich würde mich gar nicht trauen, ihn etwas zu fragen, sondern ich würde ihm einfach gerne zuhören.  Wie er damals in der Flut mit dieser Situation umgegangen ist und mit der Verantwortung, die auf ihm lastete. Das wäre so das Thema, um das es ginge.

 

Zuhören, aufnehmen und den Moment genießen.

Ja. Wahrscheinlich würde ich, auch wenn ich vor 20 Jahren mit dem Rauchen aufgehört habe, sogar eine Menthol-Zigarette rauchen.

 

Für diesen einen Moment. Zumindest könnte man danach sagen, dass man eine Zigarette mit Helmut Schmidt geraucht hat.

Ich bin schon fast am Ende meiner Fragen, doch ich habe noch eine Abschlussfrage. Was ist dir, über all das, was wir besprochen haben hinaus, noch zum Thema Führung und Leadership wichtig? Was habe ich dich nicht gefragt?

 

«Sich selbst Fehler in einer Führungsrolle einzugestehen, ist vielleicht noch mal herausfordernder als keine Fehler zu machen

 

Ich würde nicht sagen, dass es fehlt, aber mir ist wichtig, dass wir in Führungsverantwortung allesamt auch als Menschen wahrgenommen werden. Das heißt, dass auch Führungskräfte Fehler machen dürfen, und sie machen sie natürlich auch. Der Umgang damit fällt Menschen nicht immer so leicht. Sich selbst Fehler in einer Führungsrolle einzugestehen, ist vielleicht noch mal herausfordernder als keine Fehler zu machen. Ist ja klar. Aber die Fehler einzugestehen und sich vielleicht auch mal zu entschuldigen, wenn man welche gemacht hat, das steht jedem Menschen zu und ist auch aus der Perspektive der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein wichtiger Aspekt. Ich glaube, dass es gerade für mich, der in diese Aufgabe hereingekommen ist, ein ganz großer Punkt gewesen ist, dass ich auch Fehler zugeben darf.

 

Das ist, finde ich, gerade ein total perfektes Schlusswort, dem ich gar nicht mehr viel hinzufügen möchte. Außer: ganz herzlichen Dank für das Gespräch, Michael, es war mir eine Freude, dass du dir heute die Zeit genommen hast!

Vielen, vielen herzlichen Dank! Es hat mir sehr, sehr viel Spaß gemacht, mit dir zu sprechen. Das war ein schönes Gespräch. Dankeschön.

 

Wer das Gespräch nachhören möchte, kann dies hier tun: https://itsaboutleadership.podigee.io/.

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