It‘s about Leadership

Podcast "It's about Leadership" - Folge 7

12. Dezember 2019

Mit wem sprechen wir in dieser Folge?

Kristina Faßler.

 

Aus welchem Bereich kommt unser.e Gesprächspartner.in?

Kristina ist General Manager Marketing & Commercial Sales WELT und Sendersprecherin bei WELT N24. Kurz gesagt: sie ist für alles rund um Kommunikation bei dem Nachrichtensender WELT verantwortlich. Bisher kannten wir uns nur über LinkedIn und Twitter, nun ist es an der Zeit, diese eindrucksvolle Frau auch „in echt“ kennenzulernen. Kristina sagt von sich, dass sie sehr schnell denkt. Das ist an ihrer Sprechgeschwindigkeit sowie an der Energie, die sie ausstrahlt, zu merken. Ihre Hände sind immer in Aktion und unterstreichen ihre Aussagen. Sie ist wie ein freies Radikal, das für sich und ihr Team ein Umfeld geschaffen und bewahrt hat, in dem Stärken und Entwicklung jeder/s Einzelnen im Vordergrund stehen.

 

Wo haben wir mit ihr gesprochen?

In ihrem Büro am Potsdamer Platz in Berlin, einem sehr hellen Raum ohne Schnickschnack, dafür mit vier großen Fernsehern, auf denen der eigene Sender, aber auch Konkurrenzsender laufen.

 

Ich fange direkt an: wo kommst du gerade her? Was hast du gemacht, bevor wir uns getroffen haben?

Etwas sehr Schönes. Ich hatte ein tolles Meeting mit ganz tollen Leuten, nämlich meinem Team, das den WELT-Wirtschaftsgipfel vorbereitet. Nein, nein, ich manage nicht die ganze Welt, aber ich manage die kleine Welt, nämlich unsere WELT. Immer im Januar treffen wir die wichtigen CEOs, Politik und Wissenschaft zu einem Gipfel, bei dem wir uns über die Themen des kommenden Jahres austauschen. Das ist immer ein guter Start ins neue Jahr, der 8. Januar ist der Termin.

Im Team haben wir darüber diskutiert, wie wir den Tag ganz wunderbar komponieren. Ich liebe dieses Meeting!

 

Bitte erzähle doch unseren Zuhörer.innen etwas über dich selbst. Wie bist du dorthin gekommen, wo du heute bist. Was machst du heute?

Vielleicht erzähle ich erst einmal, wie ich dorthin gekommen bin und dann, was ich heute mache. Manchmal frage ich mich selbst, wie ich hierhingekommen bin, weil ich mich gar nicht erinnern kann, dass ich mich mal irgendwo so richtig beworben habe. Wobei ich diese Erfahrung fast gerne mal hätte. Klar, ich habe mich auch mal beworben und wurde dann nicht genommen oder irgendwelche Headhunter meldeten sich, und ich führte aus Fun Gespräche mit ihnen. Aber letztendlich ist es bei mir so gekommen, wie es wohl kommen sollte.

Ich habe in der ehemaligen DDR Pädagogik und Biologie studiert. Im Anschluss arbeitete ich im Prenzlauer Berg als Lehrerin. Aus dieser Erfahrung habe ich wahnsinnig viel mitgenommen, weil ich noch sehr jung war und selbstbewusste, tolle Schüler.innen unterrichtete. Wenn man sich sehr früh mit Eltern und selbstbewussten Schüler.innen auseinandersetzt, bedeutet das ganz viel. Was davon geblieben ist, sind sicherlich meine Liebe zu Kindern und meine Liebe zur Kommunikation, Ehrlichkeit und Offenheit. Über Kinder- und Jugendzeitschriften und Journalismus bin ich dann auch beruflich zur Kommunikation gekommen. Peter Strahlendorf hatte mich gefragt, ob ich die Kommunikation für SAT1 in den neuen Bundesländern komplett aufbauen und machen wollte. Die Mauer war auf, und der Sender konnte überall offiziell empfangen werden. Das war ein Sprung ins kalte Wasser, wovon ich noch heute ein totaler Fan bin. Man muss ab und zu ins kalte Wasser geworfen werden. Wobei mir das sowieso nicht schwer fällt, weil ich gerne in kaltem Wasser schwimme, aber das hängt mit meiner Herkunft aus dem Norden zusammen.

Nachdem ich mal kurz bei NTV war und dort die Kommunikation leitete, habe ich irgendwann die Kommunikation von SAT1 verantwortet. Als der Sender von Berlin nach München zog und ich zwei oder drei Kinder und mein Mann hier ein oder zwei Firmen hatte, wollte ich nicht mit. Ich sagte mir: Kristina, dies ist der Moment. Dein Mann ist selbstständig, in deiner Familie sind sehr viele Selbstständige, ich mache mich jetzt selbstständig mit einer Kommunikationsberatung.

Als ich kurz vor dem Start war, kam der Senderchef von N24, Torsten Rossmann, und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, Kommunikation und Marketing bei N24 zu übernehmen. Er ist bis heute noch mein Chef. Ich mochte ihn und wusste von Kolleg.innen, mit denen er arbeitet, wie er als Chef agiert, dass es der maximale Freiheitsgrad ist, dass er mein Verständnis von Kommunikation teilt. Es gab sehr viele Punkte, bei denen ich dachte: krasses Team. Da ich ja u. a. von SAT1 kam, hatte ich eine latente Überdosis von Superpromis. Ich wusste um ihre Macken und war dann schwer happy, mit Journalist.innen, der Realität und einem Nachrichtensender zusammenarbeiten zu können. Das hat mich total gereizt, und so machte ich mich nicht selbstständig. Stattdessen übernahm ich Marketing und Kommunikation. Das machten wir eine Weile, dann gingen wir holterdipolter raus aus ProSieben und SAT1, weil der Laden verkauft wurde, und waren quasi von jetzt auf gleich ein mittelständisches Unternehmen. Übrigens ein total spannender und interessanter Prozess, aus einem Konzern mal rauszugehen und zu sehen, was solch ein Konzern für eine Company macht, wenn du in dem Konzern gegründet wurdest und tief verzahnt bist. Wir haben uns rausgelöst und überraschenderweise dennoch weiter gesendet, obwohl wir uns nicht sicher waren, dass wir das so hinbekommen. Aber es klappte. Auch in der Vermarktung. Das war für mich eine tolle Herausforderung und eine Chance, für die ich immer noch dankbar bin. Ich hatte die Vermarktung für den Sender übernommen. Das bedeutete, dass ich zunächst eine Vermarktungsorganisation gesucht hatte, die uns unterstützt, um danach auch eine aufzubauen.

 

«Wenn man mich heute fragen würde, was für mich der größte Druck war, würde ich den Aufbau dieser Vermarktungsorganisation nennen.»

 

Wenn man mich heute fragen würde, was für mich der größte Druck war, würde ich den Aufbau dieser Vermarktungsorganisation nennen. Ich mag Druck, ich mag auch Zeitdruck, aber das war schon heftig. Ich kannte alle Kolleg.innen hier im Haus, wir waren vorher ein Mittelständler gewesen, und ich wusste, dass diese Kolleg.innen ihre Jobs behalten würden, wenn ich den Job gut machte, denn wir leben von Werbeeinnahmen. Aber ich wusste auch, dass, würde ich es aus welchen Gründen auch immer, nicht hinbekommen, es alle betrifft. Nicht nur die Kolleg.innen, sondern auch deren Familien. Wenn ich jemals gedacht habe, dass die Hütte brennt, dann war das zu der Zeit.

Zum Glück ist alles gutgegangen.

Nach einer Weile mussten wir uns fragen, wie wir mit der digitalen Transformation klarkommen und wie wir nicht nur als Fernsehsender in der digitalen Welt Präsenz haben können. So sind wir mit Axel Springer zusammengegangen, haben uns mit der WELT verbündet und uns entschieden, mit der WELT eine gemeinsame Marke zu gründen und aufzubauen. Vom ganzheitlich Spannendsten her war in meinem Berufsleben bisher der Prozess, aus der WELT mit ihrer alten Schrift, den Serifen, eine Marke zu machen, die sowohl im Digitalen, als auch im Print, als auch im Fernsehen stark, stimmig und sichtbar ist. Mein Job war der komplette Transformationsprozess, bis hin zur Namensänderung des Senders.

Heute mache ich die Markenführung für WELT, die Kommunikation für die Sender und steuere den Sales.

 

Wenn du jemandem, der von deiner Branche keine Ahnung hat, erklären solltest, wie deine Rolle aussieht, wie würdest du sie beschreiben?

 

«Kommunikation ist meine Leidenschaft.»

 

Meine Rolle ist die einer Kommunikatorin für die Themen, die den Sender und die Marke bewegen. Gar nicht in allererster Linie nicht nach außen. Natürlich hat es eine gewisse Selbstverständlichkeit, das zu tun, und als Sprecherin des Senders sowieso, aber vor allem geht es um die Kommunikation nach innen. Ich entdecke Themen, bei denen ich Menschen zusammenbringen möchte, weil wir gemeinsam einen bestimmten Weg gehen und dadurch etwas verändern sowie bessermachen können. All das ist Kommunikation. Es ist Kommunikation, der/m Vermarkter.in zu erzählen, was wir als Sender vorhaben, sodass sie/er uns besser vermarkten kann. Es ist Kommunikation, den Medien draußen zu erzählen, was wir so vorhaben, denn dann schreiben sie vielleicht darüber. Es ist Kommunikation, das auf Social Media zu tun. Es ist Kommunikation, und es ist eigentlich schon ein Fehler, dies als letztes zu sagen, den Mitarbeiter.innen zu erzählen, warum wir das hier tun, was wir uns dabei vorstellen und es mit ihnen zu diskutieren.

Mein Job ist Kommunikation, und deshalb liebe ich meinen Job. Kommunikation ist meine Leidenschaft.

 

Am Ende ist wirklich alles Kommunikation. Leadership und Führung fallen ja auch darunter. Beschreibe doch mal bitte dein Verständnis von Führung und Leadership.

Mein Verständnis von Führung ist zu allerallerallererst Vertrauen. Vertrauen fällt nicht vom Himmel, und man lernt es auch nicht von Nichts. Als ich zu SAT1 kam, um PR zu machen, hatte ich das große Glück, dass ich mit Peter Strahlendorf einen Chef hatte, der sagte: Kristina, mach einfach. Probier dich aus, und komm zu mir, wenn du Support oder Rat brauchst.

 

«An erste Stelle gehört für mich Vertrauen.»

 

Es war völlig klar, dass ich ausprobieren durfte. Er hat mir vertraut und sich gedacht, dass ich es schon hinkriegen werde. Bei Torsten Rossmann, meinem heutigen Chef, hatte ich das genauso. An erste Stelle gehört für mich Vertrauen. Vertrauen in Menschen. Hinzu kommt, dass ich Menschen mag. Ganz besonders ihre absolute Individualität. Jeder Mensch ist anders. Man sagt das immer, und dann werden Menschen trotzdem in Töpfe geworfen, weil sie so oder so zu sein scheinen. Das kann ich überhaupt nicht ausstehen. Ich bin ganz sicher und fest davon überzeugt, dass Menschen verschieden sind. Das ist die Faszination von der Verschiedenheit eines jeden einzelnen Menschen und dass jeder Mensch ganz starke und tolle Seiten hat. Das soll keine Trallala-Rede sein. Ich meine das total ernst. Deswegen liebe ich meine Mitarbeitenden auch so. Ich betrachte jede.n einzeln, als Individuum, als jemanden, der besondere Stärken und Schwächen hat. So wie ich auch. Diese Menschen zusammenzubringen, macht für mich Leadership aus.

 

Woran merkt dein Team, dass das etwas ist, das dir besonders wichtig ist?

Dass ich darüber spreche. Tatsächliche sage ich öfter: Weckt mich doch mal nachts und fragt mich, was wer aus dem Team am besten kann und auf jeden Fall auch besser als ich. Das eine ist es, das als Chefin zu wissen, aber es auch zu sagen: Andreas macht die besten Headlines, keine kennt sich so gut mit Social Media aus wie Julia oder Martin ist der empathischste Mensch, der wird immer die beste Idee für ein starkes Video haben. Wenn ich das nur für mich denke, weil ich nicht zugeben will, dass sie das alle besser können als ich, wäre das schade. Mein Verständnis von Leadership, an der mein Team das auch merkt, ist, dass ich mich hinstelle und sage: Hey, wir fragen Andreas. Wir brauchen eine coole Headline, dann gehen wir zu ihm, denn er macht die besten Headlines. Das ganz offen immer wieder auszusprechen, macht etwas mit Leuten.

 

Was sind Dinge, die dir in deiner Rolle besonders gut gelingen, weil du du bist?

Ich glaube tatsächlich, dass ich ganz gut darin bin, die Latte immer wieder ein bisschen höher zu legen. Hoffentlich klingt das jetzt nicht total negativ und bescheuert. Ich bin halt nicht diejenige, die sagt, dass wir jetzt mit etwas zufrieden sind. Ich bin diejenige, die ganz ruhig sagt, dass da doch noch etwas gehen muss. Ich probiere wahnsinnig gerne aus. Das wissen auch alle. Ich mache ungern zweimal das Gleiche, denn ich denke immer, dass es da doch noch etwas geben muss. An Dingen, die einem wichtig sind, kann man immer noch mal ein wenig schrauben. Ich kann ganz gut dazu inspirieren, Dinge noch einmal auf eine andere Weise zu sehen und sie besser zu machen.

 

Und was gelingt dir nicht so gut, weil du du bist?

Manchmal gelingt mir Loslassen nicht so gut, wenn mir etwas ganz besonders wichtig ist.

 

Woran merkt dein Team das dann?

Das ich zwischendurch blöde Fragen stelle. Und mich zwei Minuten, nachdem ich sie gestellt habe, wahnsinnig darüber ärgere. Das nervt mich selbst sehr, dann muss ich mich erst einmal runterholen. Denn ich weiß ja, dass die-/derjenige das ganz toll macht und ich sie/ihn in Ruhe lassen sollte. Dann gehe ich mit mir ins Gericht.

 

Sind das Momente, in denen du merkst, dass jemand innerlich mit den Augen rollt?

Ich glaube schon. Lachen. Dann denkt mein Team: Ah, Kristina, typisch, jetzt braucht sie schon wieder ein Update. Aber ich hoffe auch, dass die Person dann mit den Augen rollt. Sie soll nicht denken, dass es selbstverständlich ist und mir ständig reporten muss. Das wäre die Hölle.

 

«Für mich bedeutet Leadership auch, radikal loszulassen.»

 

Peter Strahlendorf ist für mich bis heute ein Mentor, dem ich dieses Gefühl zwischen Freiheit und Wissen, wann man nachfragen muss, verdanke. Für mich bedeutet Leadership auch, radikal loszulassen. Gleichzeitig muss ich wissen, wo ich noch nicht loslassen kann. In einem Team befinden sich logischerweise Menschen auf verschiedenen Entwicklungsstufen. Bei 90 Prozent sagst du: Das passt. Aber dann gibt es auch welche, bei denen du vorschlägst, sich nochmals auszutauschen, weil es für alle Beteiligten neu und ein Experiment ist. Das zu können, es permanent zu verändern und gleichzeitig den Mitarbeitenden ein positives Gefühl zu geben, ist eine Königsdisziplin für mich. Auch mit den Mitarbeiter.innen darüber zu sprechen, wo wir uns schneller sehen, wo wir intensiver reden und wo wir gar nicht reden, weil ich gar nicht wissen will, was die/der Mitarbeiter.in macht, weil ich ihr/ihm vertraue … All das abzuwägen, finde ich total spannend.

 

Es ist also die Abwägung, nicht loszulassen, weil es für den Mitarbeitenden wichtig ist, dass wir nah zusammenbleiben oder nicht loszulassen, weil mir das Thema so wichtig ist, dass ich einfach nicht abgeben möchte?

 

«Wenn ich jemals so werde, werde ich mich feiern!»

 

Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Thema für die/den Kolleg.in total neu ist und wir das zusammen besser können, weil unsere Skills zusammen gut sind, finde ich es völlig in Ordnung, das auch gemeinsam zu machen. Dieses nicht Loslassen, wenn es mich ärgert, geschieht, wenn ich eine Höllenleidenschaft für etwas habe. Das ist ein bisschen schlimm. In dieses blöde Nachfragen treibt mich meistens meine Neugierde, wie es an der Stelle weitergeht. Mit dem Kollegen Goldschmidt (Folge 6) muss ich mich mal treffen, denn er scheint da der König zu sein und kann mich sicherlich therapieren. Das fand ich so toll in eurer Folge. Er muss so ein radikaler Loslasser sein. Wenn ich jemals so werde, werde ich mich feiern!

 

Wenn ich hier über den Flur laufen und jemanden aus deinem Team zu dir befragen würde, was denkst du, wie sie dich beschreiben würden?

Sie würden wahrscheinlich sagen, dass ich ein ziemlicher Sponti und ziemlich schnell bin. Wenn ich arbeite, arbeite ich. Da geht es zackizacki. Aufgrund meiner Rolle in Kommunikation und Marketing, weil ich Salessteuerung mache und mich um Event, Magazine und Talk kümmere, bearbeite ich immer mehrere Themen gleichzeitig. Die Themen wechseln einfach schnell.

Wahrscheinlich würden sie auch sagen, dass ich nie zweimal das Gleiche mache. Und wenn ich etwas richtig Gutes aufbringe, schreiben sie es lieber direkt auf, weil ich den Satz nicht noch einmal wiederhole.

 

Ich vermute, dass das ein Umfeld ist, in dem es die/den eine.n oder andere.n gegeben hat, die/der nicht gut damit zurechtkam, oder?

Absolut. Wir verändern uns permanent. Vor Jahren wurde ich gerne mal ein bisschen verlacht, als mir Personaler.innen sagten, ich hätte zu viele direct reports. Das sei schwierig, und sie hätten gerne ein Organigramm von mir. Aber wir arbeiten in agilen Strukturen, wie soll ich das machen? Wir arbeiten auf der Basis, dass wir voneinander wissen, was jede.r am besten kann. Das ist der Kern meines Teambuildings. Ich habe großes Glück. Als ich hier anfing, hatte ich zwei Leute, heute sind es 40, und die habe ich mir alle ausgesucht. Bei jeder neuen Stellenbesetzung überlegen wir uns im Team, ob wir genauso nachbesetzen oder anders besetzen, weil wir andere Skills benötigen.

Wir arbeiten agil, wir fragen uns, welches Thema wir haben und wer es am besten kann und wie das Team aussieht. Das lässt sich nicht einfach in einem Organigramm abbilden. Und auch die Frage der vielen Leute, die direkt an mich berichten … Ich spreche doch sowieso mit ihnen. So wie wir alle miteinander sprechen. Inzwischen hat sich das zum Glück beruhigt. Auch wenn Organigramme immer noch ein Problem sind, werde ich nicht mehr ermahnt, dass ich zu viele direct reports habe.

Dieses agile Arbeiten mit den vielen Themen ist total schön und funktioniert besser, wenn man viel voneinander weiß.

 

Wie sorgst du dafür, dass die Menschen im Team auch untereinander viel voneinander wissen?

Darüber sprechen. Dass auch sie darüber sprechen. Seit ca. einem Jahr diskutiere ich mit meinem Team bei großen Projekten, wer am besten dazu passt. Meine totale Überzeugung ist, dass das Wissen um die coolen Skills, um die Leidenschaften, um die Komposition von Teams nicht nur von mir oder meinem Stellvertreter kommen darf. Wir sind gut als Team, wenn die Extravertierte sagt, sie hätte gerne noch den Introvertierten dabei oder wenn der Leidenschaftliche sagt, er hätte gerne die Rationale dabei. Diversität. Das macht in einer Gruppe etwas, und wenn man das einmal erlebt hat, will man das immer wieder. Ja, darüber reden, was die/der andere kann, das ist mein großes Credo.

 

Gerade ist das Schlagwort Diversität gefallen. Ich persönlich glaube, dass Diversität nur funktioniert, wenn ich nicht nur die Unterschiedlichkeiten sehe, sondern sie vor allem als Stärke erkenne.

 

«Wenn wir Stärken entdecken, reden wir darüber

 

Genau. Diversität kann kein Selbstzweck sein, indem wir sagen, dass wir alle ganz verschieden sind, und dann kommt das schon von alleine. Diversität bedeutet, dass ich weiß, was die/der andere ganz besonders kann. Es kann auch passieren, dass ich das im ersten Moment nicht erkenne. Und doch weißt du irgendwann, ganz plötzlich, dass der Kollege XY eine Leidenschaft für etwas hat, wovon wir bisher nichts wussten. Wenn wir Stärken entdecken, reden wir darüber. Genauso musst du auch wissen, wenn jemand sagt: „Bei aller Freundschaft, da bin ich draußen.“ Dann ist sie/er halt draußen, und das ist auch okay. Das gehört dazu.

 

Es ist eine unfassbare Ressource, wenn man dafür sorgen kann, dass sich die Menschen dorthin gezogen fühlen, wo gerade etwas passiert, aber auch ganz bewusst sagen können, dass etwas nicht ihr Ding ist.

Ja, genau.

 

Du hattest vorhin schon etwas angedeutet, daher vermute ich, die Antwort auf die nächste Frage schon zu kennen. Wer oder was hat dich in deinem Verständnis von Führung am meisten geprägt?

Das sind zwei Leute. Einer davon ist Peter Strahlendorf, der mich sehr geprägt hat, weil er mich einfach losschickte. Damals gab es noch ausgedruckte Pressemappen, mit denen er mich in die neuen Bundesländer geschickt hatte. Fahr los und sprich mit den Redaktionen, sagte er. Übrigens bin ich bis heute mit sehr vielen Journalist.innen aus dieser Zeit sehr eng verbunden. Peter gab mir auf sehr feine Art Tipps. Wie fein er mich dadurch coachte und wie sicher er mich dadurch machte, dass er mir immer wieder gut zusprach, fiel mir erst Jahre später auf, als ich darüber reflektierte. Er war überhaupt nicht oberlehrerhaft. Alles, was ich in der Kommunikation bin, bin ich in der freiheitlichen Denke auch durch Peter Strahlendorf.

Die zweite Person war Torsten Rossmann. Er lässt einfach machen und ist ein Chef, wie man ihn sich kaum vorstellen kann. Und ich habe durchaus andere erlebt, im eigenen Unternehmen und auch außerhalb. Uns eint das Verständnis, dass man ganz klar weiß, was die/der Kolleg.in kann, macht und man erst einmal ein Grundvertrauen in deren/dessen Kompetenz für das eigene Feld hat. Das hat er, und da lässt er los. Das macht ihn aus.

Vielleicht bin ich genau deshalb nicht selbstständig, weil ich zweimal das große Glück hatte, solche Chefs zu haben. So hatte ich nie den Grund, wegzulaufen. Meine Familie lästert immer darüber, aber das ist mir egal. Ich fühle mich sehr selbstständig.

 

Lachen.

 

Das ist besonders erstaunlich, da ihr ja von einem Konzern in ein mittelständisches Unternehmen und zurück in einen Konzern gegangen seid. Das kann sich sicherlich auch anders anfühlen.

Ja. Wir haben uns bisher die Freiheit bewahrt, und das ist ganz gut.

 

Was war denn für dich bisher die allergrößte Herausforderung in der Führungsrolle?

Die Namensänderung des Senders.

Abgesehen von der Verantwortung, die ich vorhin beschrieb, als wir die Salesorganisation aufbauten. Das war für mich irgendwie weniger Führungsrolle, als vielmehr „Trage mal die Verantwortung für andere“. Ich habe, gefühlt, noch nie so viel Verantwortung für andere übernommen. Aber das war für mich weniger eine echte Führungsrolle als vielmehr interessant. Denn das macht etwas mit einem.

 

Was hat es denn mit dir gemacht?

 

«Ich wollte nichts übersehen, dafür aber jede Chance nutzen

 

Es hat meine Art verändert, zu strukturieren, zu sortieren und nichts zu übersehen. Das hat sich inzwischen wahrscheinlich wieder ausgeschlichen. Aber ich habe noch nie so viel gearbeitet wie in der Zeit. Ich wollte nichts übersehen, dafür aber jede Chance nutzen. Wir haben neue Mitarbeitende eingestellt, damit wir den Sales ordentlich machen können, und ich beschäftigte mich intensiv mit dem Thema, welche Mitarbeiter.innen welche Skills haben. Ich wurde sehr detailverliebt, wovon ich mich danach aber wieder getrennt habe.

 

Bewusst oder unbewusst?

Bewusst, weil ich dachte, dass es das nicht sein kann. Wenn du so etwas aufbaust, willst du nichts übersehen oder vergessen. Da gibt es Diskussionen zu Preisstrukturen, mit welchen Preisen an den Markt gegangen wird, wie der Wettbewerb aussieht, wie Verträge mit Mediaagenturen aussehen. Das ist alles sehr komplex, voller Details. Ich habe wahnsinnig viel gelernt und mich auch in wahnsinnig viele Details intensiv eingearbeitet, aber das kostet sehr viel Zeit.

Heute hilft mir das, aber heute bin ich auch nicht mehr im Mikromanagement. Heute kann ich darüberfliegen und habe eine Einschätzung. Ich will nicht mehr jedes Vertragsdetail kennen, ich will einfach nur den Vertrag verstehen. Und ich verstehe ihn gut, weil ich damals diese Arbeit gemacht habe.

Zurück zu meiner größten Herausforderung. Das war, den Weg der Namensänderung mit den Mitarbeiter.innen zu gehen. Wir waren raus aus dem Konzern und fragten uns, ob wir es als Mittelständler schaffen würden, denn es gab keinen Fernsehsender der mittelständisch unterwegs war. Und wir haben es geschafft. Du kennst hier alle Kolleg.innen, und alle sind der Marke verbunden. Im Grunde ist das ein Goldschatz. Du bist als Mitarbeiter.in der Marke N24 verbunden wie nur irgendwas. Es ist deine Marke, du bist stolz, bei dem Sender zu arbeiten. Alles haut hin. Das wünscht sich, glaube ich, jede.r Unternehmer.in.

Und dann kommen ich und ein paar andere nach dem Motto „Das Bessere ist der Feind des Guten“. Denn in einer digitalen Welt ist es perspektivisch sinnvoll, eine Marke zu haben, die im Digitalen genauso stark ist wie im Fernsehen oder im Print. Um solch eine einzigartige Marke zu schaffen, braucht es auch einen gemeinsamen Name, der einen gemeinsamen Absender schafft.

Diesen Weg mit den Mitarbeitenden zu gehen und ihnen sagen zu müssen, dass das, was sie lieben und was ihnen wahnsinnig viel bedeutet, wofür sie morgens manchmal wahnsinnig früh aufstehen oder aus dem Kino, vom Abendessen oder sogar aus dem Urlaub ins Büro kommen, ohne gefragt zu werden, weil es Breaking News gibt, jetzt einen anderen Namen bekommt. Das ist nicht mehr ihr Name, den sie sich ausgedacht haben, sondern ein Name, der schon 70 Jahre existiert und der auch ein bestimmtes Feeling hat. Diesen Prozess mit den Leuten zu gehen, empfand ich als größte Herausforderung.

 

Wie hast du dich in dem Moment gefühlt, als du das deiner Mannschaft gesagt hast?

Da gab es einen Riesenunterschied. Mein eigenes Team voller Marketingleute hatte ein großes Verständnis dafür, weil sie die Strahlkraft einer Marke, die auf allen Kanälen unterwegs ist, verstehen. Zu meinem Job gehörte auch, zu Medienagenturen zu gehen. Wenn ich ihnen von der neuen Marke berichtete, gingen sie rational ran und fanden es gut. In diesem Bereich musste ich mich nie rechtfertigen.

 

«Alles kommt immer wieder zurück zur Kommunikation

 

Anders war es bei den Mitarbeitenden im Haus. Ihnen die Beweggründe zu vermitteln, bedeutete sehr viele Einzelgespräche. Außerdem haben wir das Logo gemeinsam mit Mitarbeiter.innen aller Units entwickelt und dieses Logo allen Mitarbeitenden, bevor es draußen gezeigt wurde, vorgestellt und erklärt. Wir haben die vielen Schritte möglichst dicht an den Mitarbeiter.innen gemacht. Wichtig war es, im Gespräch zu bleiben, und so blieb ich als Nichtraucherin auch durchaus mal bei den rauchenden Kolleg.innen vor der Tür stehen, um mit ihnen zu reden.

Alles kommt immer wieder zurück zur Kommunikation.

 

Was denkst du, wie sich das Thema Leadership und Führung in der Zukunft entwickeln wird?

Ich glaube, Führung und Leadership werden in Zukunft noch mehr als heute bedeuten, dass du nicht alles wissen kannst und dass das Mikromanagement (des Kollegen Goldschmidt, ich verehre ihn, an dieser Stelle liebe Grüße) komplett ausgeschlossen ist, weil es schlichtweg nicht mehr geht. Hier muss ich kurz die Podcastfolge mit Herrn Goldschmidt empfehlen, ihr werdet ihn feiern!

Ich denke, trotzdem wird Führung immer bedeuten, dass man sich in rasender Geschwindigkeit in neue Themen einarbeitet, und das ist die Herausforderung. Wer keine Vorstellung davon hat, was künstliche Intelligenz für den eigenen Bereich bedeuten kann und sich nur auf die Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden konzentriert, dann ist das nicht genug. Konsequenterweise, und das ist das unfassbar Schöne für unsere Jobs hier, bedeutet dies, dass wir uns Zeit nehmen müssen. Nein, es ist kein Müssen, es ist eine große Freude, sich damit auseinanderzusetzen, welche neuen Kommunikationsmöglichkeiten und Technologien es gibt, ohne den Anspruch zu haben, das selbst programmieren und entwickeln zu müssen. Denn dafür gibt es sehr, sehr coole Leute. Und da fängt es wieder mit den Skills an.

 

«Zu verstehen, dass sich etwas verändert, bedeutet, sich damit auseinanderzusetzen

 

Zu verstehen, dass sich etwas verändert, bedeutet, sich damit auseinanderzusetzen. Wir erleben eine industrielle Revolution im Turbogang. Diesen Turbogang gibt es in der Gesellschaft und in all unseren Jobs. Idealerweise mögen wir das, haben Lust darauf, uns damit zu beschäftigen, was daraus für Möglichkeiten erwachsen und nehmen die Leute mit.

Leadership bedeutet, sich mit diesen und weiteren, vielfältigeren Themen auseinanderzusetzen sowie den endgültigen Abschied vom Mikromanagement.

 

Was vielleicht für viele eine große Erleichterung sein wird …

Und für einige wird es die Hölle. Die werden kurz durchdrehen, ehe sie es dann tun.

 

Wenn du die freie Wahl hättest: mit welcher Persönlichkeit (lebend oder nicht lebend, berühmt oder nicht berühmt) würdest du dich gerne einmal über das Thema Leadership austauschen?

Das ist eine schöne Frage.

Ich habe mich mit Reed Hastings darüber unterhalten, das war total spannend, weil er eine tolle Vorstellung davon hat. Und ich würde mich gerne mit … Überlegt … einer Frau unterhalten. Ich habe mich mit Valerie Holsboer zum Thema Leadership und Führung unterhalten, das fand ich spannend.

 

Erzähl mal bitte kurz, für diejenigen, die es nicht wissen, wer sie ist.

Valerie Holsboer hat ein Erlebnis gehabt, das ich keiner Frau wünsche. Sie ist auf eine sehr schwierige Art aus der Bundesagentur für Arbeit herauskomplementiert worden. Das mag nicht richtig ausgedrückt sein, aber ich sage es jetzt mal so.

Ich traf sie am letzten Wochenende beim Digital Female Leader Award und sagte ihr, wie sehr ich sie dafür bewundere, wie sie das durchgestanden hat, wie sie gekämpft hat und dass sie nicht nach einem „Diese Frau wollen wir nicht“ direkt weggelaufen ist. Das war ein sehr interessantes Gespräch über das Verständnis von Führung, und ich bewundere sie sehr.

Vermutlich würde ich gerne noch mit Janina Kugel, die jetzt Siemens verlässt, sprechen. Ja, das wäre ein Wunsch von mir. Leider war sie an dem Abend nicht anwesend.

 

Das teile ich. Ich denke, sie ist eine spannende Gesprächspartnerin zu dem Thema.

Wir kommen zur letzten Frage: was habe ich dich zum Thema Leadership und Führung nicht gefragt, worüber du aber gerne noch reden würdest?

Ich finde es gut, dass du mich gefragt hast, wie sich Führung verändert und was ich nicht kann. Denn darüber denke ich immer wieder nach.

Doch, ich denke, du hast mich alles gefragt.

 

Das ist schön. Dann danke ich dir ganz herzlich für dieses Gespräch, das mir sehr viel Freude gemacht hat.

Ich danke dir auch. Das war ein wirklich schönes Gespräch. Und solche Gespräche helfen auch immer weiter. Ich kann jeder/m nur empfehlen, Podcasts und die Gespräche mit tollen Leuten zu hören.

 

Es ist genau meine Hoffnung, da ich so viel aus Podcasts mitnehme, dass es meinem Gegenüber und vielleicht sogar meinen Zuhörer.innen auch so ergeht.

Die/der Interviewer.in gibt wahnsinnig viel in solch einem Podcast. Das mal für alle, die von dir angefragt werden. Es gibt einem sehr, sehr viel, denn vor, während und nach dem Gespräch setzen wir uns damit auseinander. Ihr wisst ja alle, die Auseinandersetzung mit sich selbst ist wichtig!

 

Wer das Gespräch nachhören möchte, kann dies hier tun https://soundcloud.com/user-675701835/episode-07 oder hier https://open.spotify.com/episode/4O2ne0UhMy0jiOWcwaJiPJ?si=M3_rCB9ySxeSzaRU21YL3g

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